Klinische Studien was Sie schon immer wissen wollten…

  1. Verursachen klinische Studien zusätzliche Kosten für das österreichische Gesundheitssystem?
    Nein. In allen Studien gibt es so genannte Fallpauschalen, die für jede/n einzelne/n PatientIn für zusätzliche Untersuchungen an das Krankenhaus (Zentrum) bezahlt werden. Die Höhe der Fallpauschalen wird pro Studie anhand des Aufwands im Vorfeld berechnet und ist für teilnehmende Zentren innerhalb eines Landes einheitlich.
    Streng genommen sparen klinische Studien sogar Geld – denn Studien-PatientInnen erhalten einen neuen Wirkstoff in Kombination mit der besten bekannten Standardtherapie. Untersuchungen, die sie also im Rahmen einer Krebsbehandlung ohnehin absolvieren müssten, werden von der Fallpauschale abgedeckt, wenn sie bei einer Studie mitmachen.
  2. Warum sind klinische Studien so teuer?
    Das hängt einerseits mit den bereits erwähnten Fallpauschalen zusammen, die ja für mehrere Hundert oder sogar Tausend PatientInnen über Jahre hinweg bezahlt werden. Dazu kommen auch PatientInnenversicherungen und natürlich die gesamte operative Abwicklung im Hintergrund. Datenmanagement, Statistik, Projektmanagement, Safety Reporting, Monitoring … Das alles muss ebenfalls über Jahre hinweg finanziert werden, die meisten Studien haben eine Laufzeit zwischen 10 und 20 Jahren. Bis zum endgültigen Ergebnis kann sogar noch mehr Zeit vergehen, da StudienpatientInnen auch nach der letzten Medikamentengabe oft 10 Jahre oder länger nachbeobachtet werden. Die ABCSG ist auf der Seite jener, die sich weltweit darum bemühen, durch ein Eindämmen der Bürokratisierung und Überregulation den Prozess der Wissensgenerierung auch langfristig leistbar zu halten.
  3. Und warum kostet gerade die PALLAS-Studie so viel?
    Diese Studie läuft in 22 Ländern auf der ganzen Welt, mit einer hohen PatientInnenzahl (5.600) und über 15 Jahre. Allein der administrative Aufwand für die ABCSG-Studienzentrale ist hier enorm – allerdings handelt es sich beim Großteil des Geldes um „Durchlauf“kosten, die an diese Länder und weltweite Partner weitergegeben werden. Die ABCSG verwaltet zwar das gesamte Budget, zahlt es aber an die teilnehmenden Zentren und zahlreiche Partner (Studiengruppen und andere operative Partner, die z.B. für die Medikationslieferungen verantwortlich sind) in den verschiedenen Ländern weiter.
  4. Warum finanziert ein Pharmaunternehmen eine Studie, führt sie aber nicht selbst durch (wie z.B. bei der PALLAS-Studie)?
    In diesem Fall handelt es sich nicht um eine Auftragsstudie, die die ABCSG für Pfizer ausführt. Ärztinnen und Ärzte der ABCSG haben das Studienprotokoll gemeinsam mit weltweit anerkannten ExpertInnen (opinion leader) mit einem ihrer Meinung nach vielversprechenden neuen Wirkstoff (Palbociclib) verfasst, es handelt sich also um eine so genannte „akademische Studie“ (im Gegensatz zu einer kommerziellen). Natürlich hat die ABCSG größtes Interesse daran, dass ihr eigenes Studienprotokoll ohne Abweichungen eingehalten und durchgeführt wird.
    Pfizer konnte in jahrelangen und intensiven Verhandlungen überzeugt werden, Wirkstoff und Budget zur globalen Studiendurchführung zur Verfügung zu stellen. Der (faire!) Nutzen für das Unternehmen ist sicherlich, dass sie sich im Zulassungsverfahren dann auf Ergebnisse einer unabhängigen akademischen Studie berufen können – vorausgesetzt, die Studie geht auch so aus, wie die WissenschaftlerInnen es sich erhoffen.
  5. Wer entscheidet, welche Studie in welchem Krankenhaus läuft und welche/r Arzt/Ärztin involviert ist?
    ExpertInnen, die schon in die Protokollerstellung eingebunden waren, sind auch in führenden Positionen bei einer Studie involviert (Principal Investigator, Coordinating Investigator). Wenn man weiß, welche Anforderungen bei den einzelnen Untersuchungen und/oder der Behandlung nötig sind, kann man entscheiden, welche Zentren dafür auch geeignet sind. Oft ist der administrative Aufwand, also die Dokumentation der Daten, in kleineren Häusern wegen zu wenig Personal nicht protokollgemäß machbar, diese Zentren können dann leider nicht teilnehmen. Das wird im Vorfeld mit standardisierten Verfahren überprüft (feasibility check, Machbarkeitsprüfung).
  6. Wie entsteht eine Studie?
    Meistens bildet die Idee eines Einzelnen die Basis, in Diskussionen mit KollegInnen kann diese dann weiter ausformuliert werden, bis man das Grundgerüst für ein Studienprotokoll erarbeitet hat.
    Dann sucht man – meist in der Pharmaindustrie – nach möglichen Partnern, die den Wirkstoff zur Verfügung stellen können und optimalerweise auch die Hintergrundkosten übernehmen. Danach reicht man das Protokoll und alle weiteren studienrelevanten Dokumente (z.B. Patienteninformation) bei der Ethikkommission sowie dem Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) ein. Erst nach deren Genehmigung kann eine Studie überhaupt erst starten. Dieser Prozess muss übrigens in jedem Land separat durchgeführt werden, auch die Zentren, die teilnehmen wollen, müssen erst genehmigt werden.
  7. Es gab in den letzten Tagen Berichte über die PALLAS-Studie – wenn ich daran teilnehme, muss ich fürchten, ein Spielball der Pharmaindustrie zu sein?
    Nein. Es handelt sich um eine akademische Studie, das heißt, dass sowohl die Intention der Studie wie auch die gesamte Datenverwaltung in die Verantwortung einer unabhängigen Organisation, der ABCSG, fällt. Alle Ärztinnen und Ärzte der ABCSG haben sich der sogenannten „Deklaration von Helsinki“ verschrieben, an deren erster Stelle das Wohl des Patienten steht. Außerdem müssen alle teilnehmenden BehandlerInnen auf dem letzten Stand der „Good clinical practice“ (GCP, „gute klinische Praxis“) sein.
  8. Wer zahlt Studien, wenn kein Pharmaunternehmen dahinter steht?
    In Einzelfällen kann man versuchen, beim Wissenschaftsfond FWF eine Projektförderung zu erhalten. Allerdings liegt die Maximalsumme bei EUR 400.000 und es werden auch nur Projekte gefördert, die maximal 48 Monate dauern. Klinische Studien sind bei weitem teurer und laufen auch viel länger.
    Wenn man mit mindestens zwei weiteren EU-Ländern zusammenarbeitet, kann man auch bei dem EU-Projekt „Horizon 2020“ anfragen, das ist allerdings mit einem sehr hohen administrativen Aufwand verbunden, sodass Einzelpersonen und kleinere Zentren damit überfordert sind. Der Schwerpunkt des Programms liegt auch eher in der Grundlagenforschung, weniger in der klinischen.
    Öffentliche Unterstützung für klinische Studien gibt es in Österreich kaum.
  9. Was macht die ABCSG eigentlich und warum sind für eine Studie so viele MitarbeiterInnen nötig?
    Die ABCSG ist ein gemeinnütziger Non-Profit-Verein, in dem sich Ärztinnen und Ärzte aus ganz Österreich zusammengeschlossen haben, um fächerübergreifend gemeinsam klinische Studien durchzuführen. Die Organisation gibt es seit über 30 Jahren und sie ist international sehr anerkannt. Ergebnisse aus ABCSG-Studien haben die Krebstherapie in den letzten Jahren bereits maßgeblich verändert (siehe www.abcsg.at/die-abcsg/die-grosten-erfolge).
    Die Studienzentrale in Wien-Nussdorf besteht aus verschiedenen Abteilungen, wie z.B. Datenmanagement, Statistik, Projektmanagment, Regulatory Affairs, Safety Reporting – alles Stellen, die zur korrekten Durchführung einer Studie unverzichtbar sind. Außerdem gibt es noch das Monitoring, also ABCSG-MitarbeiterInnen, die in ganz Österreich unterwegs sind und direkt an den Zentren überprüfen, ob alle Studien auch protokollgemäß durchgeführt und dokumentiert werden.
  10. Wer entscheidet bei einer Studie, was getestet wird und wie viele PatientInnen teilnehmen können?
    Die MedizinerInnen, die das Protokoll erstellen, sowie StatistikerInnen, die errechnen, wie viele PatientInnen teilnehmen müssen, damit das Ergebnis auch aussagekräftig ist.
  11. Warum arbeitet die ABCSG nur mit der Pharmaindustrie zusammen und nicht mit öffentlichen Stellen?
    Siehe Frage 8 – weil es dafür leider keine öffentlichen Stellen gibt. Wir versuchen seit Jahren, mit geringem Erfolg, den Hauptverband oder Ministerien zu einer Förderung der klinischen Forschung zu bewegen. Die ABCSG arbeitet mit allen in der Onkologie tätigen Unternehmen zusammen, um für die PatientInnen neue Therapien zu entwickeln oder bestehende Therapien zu verbessern.

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